3. und 4. Mai 2008, Campus der Universität Wien (Altes AKH), Hof 2, Hörsaal C1
Am 3. und 4. Mai fand an der Universität Wien die internationale Konferenz „Die iranische Bedrohung – Die Islamische Republik, Israels Existenzkampf und die europäischen Reaktionen“ statt. Die Konferenz war an beiden Tagen gut besucht. Der Eröffnung und dem ersten daran anschließenden Round table wohnten rund 220 BesucherInnen bei, während sich zu den Panels am zweiten Konferenztag rund 140 ZuhörerInnen einfanden.
Eröffnet wurde die Tagung durch einleitende Worte der VeranstalterInnen Ruth Contreras (Scholars for Peace in the Middle East), Joanna Nittenberg (Illustrierte Neue Welt) und Simone Dinah Hartmann (Sprecherin der Initiative STOP THE BOMB). Hartmann erläuterte die bisherigen Aktivitäten der Kampagne STOP THE BOMB – Koalition gegen das iranische Vernichtungsprogramm, die gegründet wurde, nachdem die OMV ihren geplanten 22-Milliarden-Euro-Deal mit der islamischen Republik Iran bekannt gegeben hatte. Bereits im September 2007 fand in Wien ein Symposium zum Thema „Die islamische Republik Iran. Analyse einer Diktatur“ statt. Die Beiträge dieses Symposiums wurden, zusammen mit weiteren Texten, im März 2008 als Buch veröffentlicht. Sodann initiierte STOP THE BOMB eine Unterschriftenliste, in der die Forderung nach einem Abbruch der wirtschaftlichen Kontakte Österreichs mit dem Iran formuliert wurde. Bislang wurden über 4000 Unterschriften aus über 60 Ländern gesammelt; unter den UnterzeichnerInnen finden sich etliche Prominente, wie Elfriede Jelinek, Elie Wiesel, Arik Brauer, Alfred Dorfer, Gerhard Haderer, Beate Klarsfeld, Marika Lichter, Ariel Muzicant, Robert Schindel, Lotte Tobisch, Topsy Küpers, Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center in Jerusalem; Kurt Hengl, der ehemalige Botschafter Österreichs in Israel, oder Maria Vassilakou, die Klubobfrau der Wiener Grünen. Die gegenständliche Konferenz wollte Hartmann als Einspruch gegen die Indifferenz verstanden wissen, mit der große Teile der Öffentlichkeit dem iranischen Atomprogramm und den Vernichtungsdrohungen gegen Israel begegnen. Sie wies darauf hin, dass die im Laufe der Konferenz präsentierten Beiträge nicht die Position der Kampagne STOP THE BOMB wiedergäben, sondern die Ansichten der jeweiligen ReferentInnen.
Darauf folgte die Videoeinspielung der Grußbotschaft des Holocaustüberlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel, der sich über die iranischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel empört zeigte und die Welt aufforderte, diese Drohungen ernst zu nehmen und entsprechend zu reagieren. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich genug Menschen finden würden, um dieser massiven Bedrohung des Friedens auf der Welt wirksam entgegen zu treten. Charles A. Small (Direktor der Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Anti-Semitism) warnte vor den Gefahren, die von der weiten Verbreitung des Antisemitismus in der islamischen Welt ausgehen und zitierte den Philosophen Edmund Burke, dessen Feststellung: “All that is necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing” als Motto der Konferenz gelten könnte. Danach wurde die Grußbotschaft des Nationalratsabgeordneten der Grünen, Albert Steinhauser, verlesen, der den Anwesenden seine Solidarität im Kampf gegen die iranische Atombombe versicherte.
Der anschließende erste Round table („Die iranische Bedrohung: Islamismus, Antisemitismus, Atomprogramm“) diente zur inhaltlichen Einführung und brachte auf zum Teil pointierte Weise die Gefährlichkeit der aktuellen Situation zum Ausdruck. Patrick Clawson (Washington Institute for Near East Policy) wies auf den terroristischen Charakter des iranischen Regimes hin, dem in erster Linie die iranische Bevölkerung selbst zum Opfer fiele, der seit der Revolution 1979 aber auch im Ausland durch eine Vielzahl von Mordanschlägen und Attentaten zum Ausdruck gekommen sei. Heute komme die iranische Terrorunterstützung vor allem im Irak zum Ausdruck, wo sowohl schiitische als auch sunnitische Terrorgruppen Unterstützung erhielten. Das Regime betrachtet Clawson weniger als religiöses, denn als politisches Phänomen. Dies werde u.a. daran deutlich, dass Khomeini jederzeit willens gewesen sei, sich über religiöse Vorschriften hinwegzusetzen, wenn es ihm im Dienste der Sicherung seiner politischen Macht geboten erschien. Clawson betonte, dass die feurige Propaganda der iranischen Machthaber für westliche Beobachter zwar schlicht verrückt klingen möge – so etwa, wenn Präsident Ahmadinejad dem ehemaligen UN-Generalsekretär erklärte, der Iran werde den nächsten Weltkrieg gewinnen –, nichtsdestotrotz aber todernst zu nehmen sei.
Yossi Melman (Journalist der israelischen Tageszeitung Haaretz) gab einen Überblick über die Entwicklung des iranischen Atomwaffenprogramms sowie die andauernden Versuche des Iran, den wahren Charakter dieses Programms zu verschleiern. Die Ursprünge der nuklearen Rüstungsbemühungen gingen zurück auf die Herrschaft des Schahs, der mittels der atomaren Option die regionale Führungsrolle des Iran zu sichern trachtete. Nach der Revolution 1979 sei das Programm auf Eis gelegt worden, wurde aber unter dem Eindruck der Verwendung chemischer Waffen durch den Irak im so genannten ersten Golfkrieg (1980-1988) wieder aufgenommen. Seit die internationale Öffentlichkeit über das Atomwaffenprogramm informiert wurde, verfolge der Iran die Strategie, zunächst alle Vorwürfe zurückzuweisen, dann auf Zeit zu spielen und schließlich nur das zuzugeben, was schlechterdings nicht mehr bestreitbar wäre. Der einzige Weg zur Verhinderung der iranischen Bombe sei die Erhöhung des internationalen Drucks auf den Iran sowie die Verhängung effektiver Sanktionen.
Benny Morris (Ben Gurion Universität Beer Sheva, Israel) äußerte sich aufgrund des fehlenden politischen Willens im Westen skeptisch in Bezug auf wirtschaftliche Sanktionen. Realistisch blieben nur zwei Möglichkeiten offen. Entweder man ließe den Iran die Bombe bauen in der Hoffnung, dass eine Politik der Abschreckung Erfolg zeitigen würde. So habe der amerikanische Publizist Charles Krauthammer unlängst die USA dazu aufgefordert, ihren „nuklearer Schutzschild“ offiziell auf Israel auszudehnen und somit eine nukleare Beistandsverpflichtung abzugeben. Morris bezweifelte nun einerseits, ob zukünftige amerikanische PräsidentInnen dieser Verpflichtung wirklich nachkommen würden, und fragte andererseits, was ein nuklearer Vergeltungsschlag denn noch für einen Sinn haben könne, wenn Israel tatsächlich durch einen iranischen, atomaren Angriff bereits vernichtet sei. Auf Basis dieser Skepsis bleibt für Morris nur ein Weg offen: Der Iran müsse im Notfall militärisch am Bau der Bombe gehindert werden. Sollten sich die USA, allein oder mit Verbündeten, nicht zu so einem Schritt durchringen können, müsste Israel diese Aufgabe übernehmen. Da Israel möglicherweise aber gar nicht in der Lage wäre, das iranische Atomwaffenprogramm mit konventionellen Waffen zu stoppen, müsse selbst der Einsatz nicht-konventioneller Waffen (taktische Nuklearwaffen) als fürchterliche Möglichkeit in Betracht gezogen werden.
Paolo Casaca (sozialdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament) widersprach Clawson, insofern er den religiös-fundamentalistischen Charakter des iranischen Regimes betonte. Drei Momente bildeten im Iran eine verheerende Einheit. Erstens die von Khomeini entwickelte Doktrin von der Herrschaft der Rechtsgelehrten, zweitens die religiöse Legitimation von Selbstmordattentaten und drittens der islamistische Anspruch auf Weltherrschaft. Wie immer neue wirtschaftliche Kontakte belegten, seien bisherige Strategien zur Eindämmung des Iran als gescheitert zu betrachten. Es sei nun unbedingt erforderlich, iranische Oppositionelle zu unterstützen, wirtschaftliche sowie politische Sanktionen zu verhängen und andere Krisenherde im Nahen Osten zu entschärfen.
In der anschließenden Diskussion argumentierte Clawson, dass er weniger Sorge über den religiös-fanatischen Charakter des Regimes habe, als darüber, dass die iranischen Machthaber sich selbst massiv überschätzten und gleichzeitig kaum über realistisches Wissen über die politischen Realitäten außerhalb des Iran verfügten. Dies könnte sie zu einem taktischen Vabanquespiel verleiten, wodurch sich gewisse Parallelen zur Situation rund um die Kuba-Krise ziehen ließen. Melman wies kategorisch jegliche Überlegungen zurück, die sich um den Einsatz nicht-konventioneller Waffen zur Verhinderung der iranischen Atombombe drehten, da die Folgen im Einzelnen zwar unabsehbar, in jedem Fall aber katastrophal wären.
Nachdem auf diesem Round table die vielfältigen Probleme und Gefahren thematisiert wurden, mit denen wir in der augenblicklichen Situation konfrontiert sind, ging es beim ersten Panel am Sonntagmorgen, „Der politische Islam im Iran und der globale Djihadismus“, hauptsächlich darum, den Charakter der islamischen Republik Iran genauer zu fassen. Menashe Amir (Direktor der persischsprachigen Abteilung von Kol Israel/Stimme Israels sowie Chefredakteur der persischen Webseite des israelischen Außenministeriums) gab einen Einblick in die ideologischen Motive jener kleinen Schicht religiöser Fanatiker, die seit 1979 die Führung des Iran darstellt. Khomeini habe in seinem Traktat über den „islamischen Staat“ die weltanschauliche Grundlage gelegt, wonach der Islam als Religion nicht bloß das Verhältnis der Gläubigen zu Allah regle. Dem Niedergang der islamischen Welt sei demnach nur zu begegnen gewesen, indem militante Religiöse die Initiative ergreifen und unter ihrer Führung das islamische Kalifat, diesmal unter schiitischen Vorzeichen, wiedererrichtet werde. All jene, die nicht der wahren Lehre Khomeinis folgten, wurden zu „Unreinen“ erklärt – Juden, Christen, Zoroastrier und die Anhänger des Bahaiglaubens. Der Iran sei heute eine Diktatur, in der jede Form der Abweichung oder Opposition mit Gefängnis, Folter und Tod bestraft werde. Den größten Gegner auf globaler Ebene sehe das Regime im Christentum; nur dessen Einfluss verhindere den Siegeszug des Islam. Der Westen solle nicht den Fehler begehen, so zu tun, als sei nur Israel durch die iranische Bombe bedroht. Die angestrebte Vernichtung Israels sei nur der erste Schritt in einem langen Kampf, in dem das Christentum besiegt werden müsse. Deshalb dürfe der Westen die Verantwortung für die Verhinderung der iranischen Bombe nicht auf Israel abwälzen. Die Bevölkerung des Iran müsse in ihrem Kampf gegen das Regime unterstützt werden, zu dessen eigenem Wohl, wie zum Wohle der gesamten Welt.
Niloofar Beyzaie (im Exil lebende Theaterregisseurin und -autorin, Gründerin der Gruppe Daritsche und Aktivistin für Frauenrechte) führte aus, dass die Entrechtung der iranischen Bevölkerung nach der Revolution 1979 mit der Entrechtung und Erniedrigung der Frauen begann und sich danach auf religiöse Minderheiten, Intellektuelle, Dissidenten, ethnische Minderheiten, Homosexuelle und schließlich auf all jene ausbreitete, die den neuen Machthabern ein Dorn im Auge waren. Auf Basis des an der Scharia ausgerichteten Gesetzeswesens werden seitdem im Iran massive Verletzungen der fundamentalsten Menschenrechte begangen. Dazu zählen Folterungen, Auspeitschungen und Zwangsamputationen sowie Hinrichtungen. Besonders erschreckend seien die immer häufiger gegen Jugendliche verhängten Todesurteile sowie die grausame Praxis der Steinigung von Frauen. Beyzaie wandte sich explizit gegen Militärschläge gegen den Iran, forderte aber eine breite Unterstützung der inneriranischen Protestbewegungen, allen voran der Frauen.
Florian Markl (Historiker beim Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus in Wien und Koautor des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) gab einen Überblick über die terroristischen Aktivitäten des Iran. Kein anderer Staat der Welt bediene sich in ähnlichem Maße des Terrorismus, um seine Ziel zu verfolgen. Seit 1979 habe der Iran in etlichen Staaten der Welt, vom Nahen Osten über Europa bis nach Amerika, zahllose Mordanschläge auf tatsächliche oder vermeintliche Regimekritiker und Oppositionelle durchgeführt, darunter auf die beiden Generalsekretäre der Demokratischen Partei Kurdistan Iran, Ghassemlou und Sharafkandi, in Wien und Berlin. Gleichzeitig sei der Iran um einen Export der islamischen Revolution im Nahen Osten bemüht gewesen – Anschläge und Putschversuche in fast allen umliegenden Staaten der Region seien die Folge gewesen. Mit der Hisbollah verfüge er über eine Stellvertreterin, die nicht nur den Krieg gegen Israel betreibt, sondern derer er sich zur Durchführung internationaler Terroranschläge bediene. Selbst die sunnitischen Djihadisten der al-Qaida konnten sich der Unterstützung durch den Iran erfreuen – sowohl vor den Anschlägen vom 11. September 2001, also auch in deren Folge nach dem Sturz der Taliban in Afghanistan. Zahlreiche führende Mitglieder der al-Qaida agierten gegenwärtig aus dem Iran heraus und organisierten von dort aus weitere Terroranschläge.
Das Panel zum Thema „Kritik des Appeasement: Der Iran und der islamische Antisemitismus als Herausforderung für Israel und Europa“ wurde von Matthias Küntzel (Publizist und Politikwissenschafter aus Hamburg, u. a. Koautor des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) eröffnet, der auf die enorme Bedeutung europäischer Staaten, allen voran Deutschlands, für die iranische Wirtschaft hinwies. Obwohl innerhalb der europäischen Union vereinzelt Stimmen für effektive Wirtschaftssanktionen laut werden, sind es bislang Deutschland, Österreich, Italien und Spanien, die ein entschlossenes Vorgehen der EU hintertreiben. Die bisherige Verhandlungsdiplomatie der Europäer mit dem Iran sei gescheitert und habe diesem nur Zeit verschafft, in der er sein Atomwaffenprogramm fortführen konnte. Wenngleich auf rhetorischer Ebene, etwa auf Seiten Angela Merkels, teils deutliche Worte gegen den Iran formuliert werden, sei diesen Worten bis heute keine entsprechende Politik gefolgt. Die Frage nach den Lehren aus dem Nationalsozialismus beantworte sich nicht in Sonntagsreden, sondern konkreter Politik.
Yossi Melman warf die Frage danach auf, welche Optionen offen stünden, sollte der Iran nicht am Bau der Bombe gehindert werden können. In diesem Fall sei die militärische Option sehr wahrscheinlich, nur wäre es für die USA eine zu große Belastung, eine dritte Front zu eröffnen, weshalb er diese Variante für unplausibel halte. Es bleibe also nur die Möglichkeit, dass Israel den Angriff selbst ausführe, getreu der „Begin-Doktrin“: präventive Angriffe auf die Atomanlagen feindlicher Staaten, wie 1981 im Irak oder 2007 in Syrien. Diese sei die plausibelste Variante, einerseits, da Israel dazu militärisch imstande sei, und andererseits, da ein solcher Schlag auch diplomatisch nicht eine solche Entrüstung im arabischen Raum nach sich zöge wie im Westen oft angenommen. Im Zuge des Libanon-Krieges 2006 sei zu beobachten gewesen, dass die Kritik der arabischen Staaten an der israelischen Reaktion verhältnismäßig zurückhaltend ausgefallen sei. Die Mehrheit habe geschwiegen und Israel inoffiziell unterstützt, da sie sich durch das Großmachtstreben des Iran gefährdet sähe.
Anders als Yossi Melman, der die Fertigstellung der iranischen Atombombe aktuellen Berichten des Mossad und der CIA zufolge zwischen 2009 und 2011 erwartet, befürchtete Bruno Schirra (Autor und Journalist, Redakteur der Zeit), das iranische Regime könnte bereits zu einem früheren Zeitpunkt über die Atombombe verfügen. Insbesondere die CIA habe bisher noch kaum ein Atomwaffenprogramm korrekt eingeschätzt. „Wir befinden uns bereits im Krieg, aber keiner geht hin“, diese abgewandelte Parole der Friedensbewegung beschreibe laut Schirra die Situation am treffendsten. In den kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten (Irak, Libanon, Gaza) sei die Handschrift des iranischen Regimes deutlich zu erkennen. Seiner Einschätzung, dass durch die unmissverständlichen Aussagen Ahmadinejads zumindest der europäischen Öffentlichkeit die Augen geöffnet würden, widersprach Küntzel. Ahmadinejad sei bereits seit geraumer Zeit im Amt, doch es rege sich kaum Widerstand. Im Gegenteil: in Deutschland habe sich ein zwieschlächtiges System der Komplizenschaft mit dem iranischen Regime entwickelt: während Kanzlerin Merkel mit israelfreundlicher Rhetorik die Wogen glätte, gehörten zum Beraterstab des Außenministers Menschen, die sich von der Zusammenarbeit mit dem Iran eine größere Unabhängigkeit von den USA erhofften.
Das Nachmittags-Panel hatte die „österreichisch-iranischen Beziehungen und die nationalsozialistische Vergangenheit“ zum Thema. Robert Schindel (Schriftsteller aus Wien) präsentierte eine literarische Miniatur, in der er sich der Frage nach dem Verhältnis von ÖsterreicherInnen, Juden und Jüdinnen und dem israelischen Überlebenskampf im Lichte der Vergangenheit und angesichts der heutigen iranischen Bedrohung aus mehreren Blickwinkeln anzunähern versuchte. Insbesondere der nach dem Holocaust aus der Öffentlichkeit verdrängte, deshalb allerdings keineswegs verschwundene österreichische Antisemitismus müsse in Betracht gezogen werden, wolle man die Ignoranz der ÖsterreicherInnen gegenüber dem iranischen Atomwaffenprogramm analysieren.
Hiwa Bahrami (Repräsentant der Demokratischen Partei Kurdistan Iran in Österreich sowie Koautor des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) kritisierte, dass das iranische Regime ohne die Unterstützung durch europäische Staaten nicht über mittlerweile fast dreißig Jahre hinweg hätte bestehen können. Besonders Österreich hat sich diesbezüglich immer wieder in den Vordergrund gedrängt (etwa in der Noricum-Affäre). Der Fall der Wiener Kurdenmorde sei exemplarisch für Österreichs Umgang mit dem Iran: Die Mitglieder des iranischen Mordkommandos wurden nicht etwa gerichtlich verfolgt und verurteilt, sondern mit einer Polizeieskorte zum Flughafen und außer Landes gebracht. Österreich sei aufgrund wirtschaftlicher Interessen nicht nur so stark an den Beziehungen zum Iran interessiert gewesen, sondern habe auch andere Diktaturen (das gestürzte Regime Saddam Husseins, Libyen, Syrien) geradezu hofiert. Durch die Kooperation mit den iranischen Machthabern habe Österreich maßgeblich dazu beigetragen, die Lebenszeit eines Regimes zu verlängern, ohne dessen Existenz die Welt ein besserer und friedlicherer Ort wäre.
Stephan Grigat (Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Mitherausgeber des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) thematisierte anhand der österreichisch-iranischen Beziehungen einige Aspekte der Außenpolitik der post-nazistischen Zweiten Republik. Obwohl Österreich schon immer an guten Beziehungen zum Iran interessiert gewesen sei, würden diese durch den Umfang des Iran-Geschäfts der OMV auf eine völlig neue Stufe gehoben. Erstaunlich sei, dass in Österreich keine nennenswerte Diskussion über diese Außenhandelspolitik stattfinde, weil kein nennenswerter Akteur sie jemals in Frage gestellt habe. Zwar werde gelegentlich erklärt, die iranischen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel wären unerträglich, nur habe das nicht die geringsten Auswirkungen auf die bilateralen Verhältnisse zu Iran. Während das offizielle Österreich (im Vergleich zu früher) mittlerweile deutliche Worte über den Mord an den europäischen Juden und Jüdinnen finde, unterstütze es außenpolitisch genau jene Kräfte, die den Holocaust leugnen und zur Auslöschung Israels aufriefen.
Beim abschließenden Podium wurde die Forderung nach einem „neuen Antifaschismus“ zur Diskussion gestellt. Jeffrey Herf (Professor für Geschichte an der University of Maryland/USA) zeigte sich besorgt, weil die Welt nach dem Nationalsozialismus gerade zum zweiten Mal Zeuge davon werde, dass in Form des radikalen Islam ein ebenso radikaler Antisemitismus sich als ein Faktor der Weltpolitik etabliere. Bei der Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei es nie ausschließlich darum gegangen, wie die Vergangenheit erinnert werden solle, sondern stets auch um politische Implikationen für die Gegenwart. Das intellektuelle Arsenal, das aus der Aufarbeitung der Vergangenheit in Europa entstanden sei, müsse auch auf Entwicklungen Anwendungen finden, die sich außerhalb Europas ereignen, konkret also auf den radikalen Islamismus. Dieser Islamismus sei, wie einst der Nationalsozialismus, eine reaktionär-modernistische Ideologie. Der Hass auf die westliche Zivilisation ginge einher mit einer Begeisterung für moderne Technik, wie am iranischen Atomprogramm deutlich werde. Trotz aller Unterschiede habe der Islamismus mit seinen totalitären Vorgängern viel gemein; der Hass auf die westliche Demokratie und kulturelle Modernität, auf Frauenemanzipation und Freiheit des Individuums sowie die Vision einer totalitären Gesellschaft und ein mörderischer Antisemitismus kehrten in religiösem Gewande zurück. Dagegen bedürfte es eines neuen Antifaschismus, der an den liberalen Antifaschismus eines Churchill oder de Gaulle anschließen müsse. Sollte die iranische Bombe nicht doch noch verhindert werden können, müsse gegen den Iran notfalls auch auf ausgedehnte militärische Abschreckung gesetzt und ihm klar gemacht werden, dass ein nuklearer Angriff auf Israel als Angriff auf den Westen betrachtet werde und einen nuklearen Vergeltungsschlag verursachen werde.
Kayvan Kaboli (Sprecher der Grünen Partei des Iran/USA) strich hervor, dass das islamistische Regime im Iran nicht nur eine Katastrophe für die iranische Bevölkerung sei, sondern auch ein Programm territorialer Expansion verfolge. In den Worten Ahmadinejads sei der Islam jetzt bereit, die Welt zu beherrschen. Der erste Schritt sei der Irak, sodann käme Israel an die Reihe. Leider werde die iranische Bedrohung nicht durch Diskussion aus der Welt geschafft. Europa könne weiterhin profitable Verträge mit dem Iran abschließen und darauf hoffen, dass die Klerikalfaschisten in Teheran nicht wahr machten, was sie ständig ankündigen. Nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts mit Faschismus und Nationalsozialismus sei es aber naiv, vor den Bedrohungen durch den Klerikalfaschismus des 21. Jahrhunderts die Augen zu verschließen. Das Problem sei nicht die Person Ahmadinejads, sondern das im Iran herrschende System. Die einzig adäquate Antwort sei die Gründung einer internationalen, antifaschistischen Front, die dem iranischen Regime entgegentritt und Druck auf die europäischen Staaten ausübt, um sie von ihrer Appeasementpolitik abzubringen.
Thomas von der Osten-Sacken (Mitgründer der vor allem im Nordirak tätigen NGO Wadi e. V. sowie Koautor des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) erinnerte daran, dass der Antifaschismus sich nicht nur ex negativo definieren könne, sondern ein auf die Zukunft gerichtetes Programm vertreten müsse. Ein solches Minimalprogramm, das zum Kampf gegen den Iran genauso erforderlich wäre, wie gegen die anderen diktatorischen Regime im Nahen Osten, müsse fünf Punkte beinhalten, die offensiv vertreten werden sollten: eine konsequente Demokratisierung der Region sowie die Durchsetzung der Rule of law, eine Säkularisierung und damit das Ende jedweder Form religiös begründeter Gesetzgebung, grundlegende Veränderungen der ökonomischen Strukturen (vor allem die Abschaffung des Ölrententums, das die Bevölkerung der Ölstaaten ihren Despoten ausliefere), eine Föderalisierung der Region sowie die Emanzipation von Frauen und Homosexuellen.
Simone Dinah Hartmann (Sprecherin von STOP THE BOMB sowie Mitherausgeberin des Buches „Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“) schloss an Herf an, insofern auch sie betonte, dass mit der Mischung aus apokalyptischem Wahn, eliminatorischem Antisemitismus sowie nuklearen Ambitionen, die das gegenwärtige Regime im Iran charakterisiert, zum ersten Mal seit der Niederlage des Nationalsozialismus die Massenvernichtung von Juden und Jüdinnen wieder eine reale Gefahr darstelle. Die europäischen Staaten hätten angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung verschiedene Optionen gehabt, entschieden hätten sie sich für eine Politik des Appeasements, die binnen weniger Jahre zu einem verheerenden Krieg und zur Shoah geführt habe. Nun hätten die Europäer wieder die Wahl, doch wiederum setze sich eine Politik durch, welche die von Iran ausgehenden Bedrohungen nicht einmal zur Kenntnis nehme oder verharmlose. Hartmann schloss mit einem Zitat der Wiener Autorin Ceija Stojka, einer Überlebenden mehrerer nationalsozialistischer Konzentrationslager: „Nach der Befreiung blieb die Angst mein ständiger Begleiter. Die Vernichtungsdrohungen aus dem Iran lassen diese Angst wieder wachsen. Fast unerträglich wird sie, wenn Österreich auch noch Geschäfte macht mit diesem Regime.“